Sex ist Systemkritisch Etwas das ich lange nicht begriffen habe an meiner Faszination für Erotik ist, dass weit mehr dahinter steckt als sexuelle Erregung.

Von Tom Deckard 30. Januar 2023

In einer Zeit lange vor dem Internet, waren Unterwäsche-Kataloge so ziemlich der einzige offen liegende Zugang zu einer verlockenden Welt die es für mich noch zu entdecken galt. Selbst als Kind bemerkte ich bald einmal dass absichtlich Hürden aufgebaut wurden, um mir den Zugang zu mehr erregendem Material und Wissen zu verwehren. Das machte das Thema natürlich nur umso interessanter für mich.

Die Ecke der Playboy und Hustler Magazine der Kioske war eine der ersten Herausforderungen. Ich meisterte sie, indem ich einen Kiosk fand, dessen Ecke nicht in ständiger Sichtweite der KassiererInnen lag. Doch solange ich mich als Jugendlicher noch nicht überzeugend als alt genug zu verstellen vermochte, ging der Erwerb nur via älterer Kollegen oder anderweitig verbotener Methoden. Der Eintritt ins Pornokino war da einfacher, weil selten genauer hingeschaut wurde – vor allem bei einem Aussenschalter in einer regnerischen Nacht. Als Jugendlicher mit Privatsphäre im eigenen Zimmer und den finanziellen Mitteln um mir Material via Postversand zu bestellen, wurden Zugangsmöglichkeiten plötzlich enorm grösser. Später umso mehr mit dem eigenen VHS-Abspielgerät. Die Alterskontrollen beim Katalogversand waren lasch und mit einem Häkchen und einer Unterschrift die niemand wirklich kontrollierte, war das keine Hürde mehr. Hauptsache es wurde bezahlt.

Der Reiz des Verbotenen

Als junger Erwachsener dachte ich zuerst, es sei nun endlich vorbei mit den erzieherischen Schranken der kleinkarierten Gesetzesmacher. Doch dann stellte ich überrascht fest, dass die Welt der Erotik noch immer viele Winkel mit Polizei-Absperrbändern hatte.

Nicht nur dass sich in diesen Winkeln genau die Fantasien befanden, die mich schon seit Kindesalter bewegten; gerade weil sie zum Verbotensten des Verbotenen gehörten, musste ich unbedingt Wege finden um da hinein zu kommen. Die extreme Intimität von Fetischen. Die völlige Hingabe im BDSM. Es trieb mich umso mehr an Quellen zu finden für das Material, das damals nicht erlaubt war. Und nachdem eine Postsendung beschlagnahmt wurde, einen Weg zu finden um das beim nächsten Mal zu verhindern.

Die Befriedigung durch das Umgehen der Verbote – die autoritären Selbstgerechten zu narren – war fast so gross wie die sexuelle Befriedigung.

Das Gefühl von Freiheit

Heute ist es so viel leichter geworden, diese Welt zu erkunden die Erwachsene den Jungen vorenthalten wollen. Und glaubt nicht dass die kommende Ausweispflicht für Internet-Angebote (in der Schweiz) daran irgendetwas ändern wird (ausser dass unsere Regierung uns zwingen will, unsere privaten Daten an die grossen internationalen Konzerne auszuhändigen). Das ist alles ein totaler Witz, erdacht von derselben Art von autoritären selbstgerechten Politikern, die schon damals keine Ahnung hatten dass sie nur den Reiz der verbotenen Angebote erhöhen. Aber seien wir ehrlich; selbst wenn sie es wissen, ist es ihnen egal, solange sie es ihren konservativen Wählern als politischen Erfolg verkaufen können.

Die Art und Weise wie man Junge vor negativen Einflüssen schützen will ist einfach nur absolut dilettantisch und kontraproduktiv.

Natürlich muss man verhindern dass einem ungewollt Nackte in Bannern und Popups entgegenspringen. Aber wer bewusst pornografisches Material sucht, der findet es so oder so – ganz egal welches Alter man hat. Und das ist auch richtig so. Andernfalls kann es sein, dass man nur Input von verklemmten Eltern bekommt, die mit falschen religiösen Moralvorstellungen indoktriniert wurden.

Was hingegen tatsächlich nötig wäre, ist Aufklärung. Und zwar nicht einfach nur Biologie und Verhütungsmethoden die man gemäss Lehrplan technisch geordnet ausbreitet, sondern das was die Jungen wirklich interessiert: Was ist Geilheit. Wie erregt man das andere Geschlecht? Was gibt es für Methoden um sich zu befriedigen? Wie befriedigt man eine Frau? Was erwartet der Partner von einem? Wie unterscheidet sich das was man im Porno sieht vom Sex mit dem Partner? Was kann man aus Pornos lernen und was nicht? Ist es okay Sex zu haben nur für die spontane Lust? Und viele, viele Fragen mehr, vor denen sich die Lehrkörper verschämt hinter dem Lehrplan verstecken.

Aber eigentlich will das auch wirklich niemand von seiner Klassenlehrperson oder seinen Eltern hören. Dazu braucht es (coole) Fachpersonen die das mit Begeisterung attraktiv rüberbringen. Doch die Politik interessiert sich noch immer mehr dafür die falschen Moralvorstellungen ihrer Wähler durchzusetzen als für das was der Jugend tatsächlich nützlich wäre.

Krieg erlaubt, Liebe verboten

Das System in dem wir leben ist noch immer geprägt von seinem Ursprung, als die Sexualität der Bürger durch die Moralvorstellungen von Religion und Regierung dominiert und kontrolliert wurde. Auch heute noch finden sich viele Moralisten in der Politik, denen die sexuelle Befreiung – vor allem die der Frau – ein riesiger Dorn im Auge ist.

Selbst dominante Grosskapitalisten unterwerfen sich ihnen. Das merkt man im Internet, als Konsument, oder als Anbieter von Inhalten sexueller Natur. Auf Google zu werben oder Inhalte auf Youtube, Instagram, TikTok usw. zu stellen ist extrem eingeschränkt. Ein Nippel kann dazu führen dass man geghostet oder gar verbannt wird. Gängige Zahlungsanbieter zu nutzen ist einem nicht gestattet (zwar kann man versuchen nicht aufzufallen). Hingegen scheint es kein Problem zu sein dass die Russische Wagner-Group über Monate hinweg auf TikTok ihre Kriegspropaganda- und Rekrutierungs-Videos verbreitet.

Natürlich haben wir westlichen Nationen auch Fortschritte gemacht. Man darf darüber reden. Man darf seine Neigungen im privaten Rahmen ausleben. Man darf lieben und heiraten wen man will. Man darf sich für Sex bezahlen lassen. Aber wehe, man lässt etwas nach, diese neu gewonnenen Freiheiten zu verteidigen – die Moralisten schlagen sofort zu. Wie im Sommer 2022, als kurzfristig versucht wurde in der Schweiz ein Prostitutionsverbot durchzusetzen. Für einmal hat unsere Regierung weise gehandelt und nicht vergessen was Prohibitionen in der Geschichte anrichteten – und mit dem "Nordischen Modell" immer noch anrichten.

Sex ist antiautoritär

Sex war immer an vorderster Front von Innovationen präsent. Fotografie, Video, Internet; wo es noch keine Gesetze gab, verbreitete bzw. etablierte sich ein neues Medium rasch auch dank Pornografie. Was ungeregelt ist, ist frei und cool.

Doch wo immer jemand die Macht hat um seine moralischen Ansichten durchzusetzen, da wird er es auch versuchen. Buchzensur und Kleiderordnung an Schulen. Zensur und Zugangskontrollen im Internet. Altersbeschränkungen beim Verkauf von Playboy-Heften am Kiosk.

Sich diese Bevormundung nicht gefallen zu lassen ist Widerstand gegen die Diktatur der Moralisten. Unbewusst war das immer schon der Grund, weshalb ich mich sehr wohl fühle dabei, die Beschränkungs-Gesetze zu umgehen oder Sexarbeit zu unterstützen.

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